J.-C. Rebetez u.a. (dir.) : De la crosse à la croix.

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Titel
De la crosse à la croix. L’ancien Evêché de Bâle devient suisse (Congrès de Vienne – 1815)


Herausgeber
Rebetez, Jean-Claude; Bregnard, Damien
Erschienen
Neuchâtel 2018: Éditions Alphil
von
Stephan Schwarz

Die Geschichte des Fürstbistums Basel bis zum Wiener Kongress ist Gegenstand dieser eingehenden Untersuchung. Nach einer bewegten Zeit wurde der Landstrich nach 1814/15 in die Kantone Bern und Basel integriert, wobei die Eidgenossenschaft mit dem Zuwachs der Kantone Wallis, Genf und Neuenburg zugleich im Wesentlichen ihre endgültige territoriale Ausgestaltung erfuhr.

Auf rund 240 Seiten geben neun Autorinnen und Autoren in zehn Aufsätzen einen aufschlussreichen Einblick in die historische Entwicklung der sprachlich, politisch und konfessionell heterogen zusammengesetzten Region im Nordwesten der Schweiz. Die in französischer oder deutscher Sprache abgefassten Beiträge werden jeweils durch ein Resümee in der anderen Landessprache ergänzt.

Der geschichtliche Abriss des ersten Beitrags von Jean-Claude Rebetez dient als Verständigungsgrundlage für die nachfolgenden Aufsätze. Seine informative Einführung erweist sich zudem als wertvolle Orientierungshilfe, die gezielt auf die anschliessenden Einzeluntersuchungen hinweist.

Irène Herrmann richtet in ihrem Beitrag den Blick auf die Widersprüche traditioneller Vorstellungen von der Epoche der Restauration, die unmittelbar auf Napoleons Sturz folgte. Anhand einschlägiger Beispiele legt die Autorin überzeugend die Problematik der Verwendung dieses Epochenbegriffs im Allgemeinen sowie mit Bezug auf die Eidgenossenschaft dar. Ihre These, die Restauration hätte nicht danach gestrebt, das Ancien Régime wieder zu etablieren, sondern im Wesentlichen das Ziel verfolgt, in Europa eine erneute Revolution zu verhindern, belegt Herrmann auf breiter Quellengrundlage.

Danièle Tosato-Rigo hinterfragt in ihrer kritischen Analyse den Mythos von der «Rettung» der neuen Kantone Waadt und Aargau durch die am Wiener Kongress vertretenen Siegermächte. Im Verlauf des Jahres 1814 stand Alexander I. als Schirmherr dieser Kantone nicht mehr voll und ganz hinter deren Interessen: Die Position Russlands wurde ambivalent. Wohl gab der Zar gegenüber Bern seine Ungehaltenheit hinsichtlich dessen Rückforderung des Berner Aargaus und der Waadt zu erkennen, zugleich suggerierte sein Minister Capo d’Istria jedoch den Bernern, Alexander I. hätte unter bestimmten Voraussetzungen nichts gegen einen Anschluss des Aargaus an ihren Kanton einzuwenden. Auch der Waadtländer Politiker Frédéric-César de La Harpe, dem mehr an der politischen Frage als an der unbedingten territorialen Souveränität seines Kantons gelegen war, vertrat nicht immer vollumfänglich die Anliegen der Waadt, weshalb ihn deren Regierung eindringlich an seinen Auftrag erinnern musste.

Marco Jorio richtet in seinem Beitrag den Fokus einerseits auf das Beziehungsnetzwerk des Generalgouverneurs Conrad Carl Friedrich von Andlau und auf die Arbeit des sogenannten Schweizer Komitees, andererseits auch auf die Strategie der siegreichen Mächte, die das Schicksal des Fürstbistums Basel mit der Neuordnung Europas und der Schweiz verknüpften (S. 97). Da unter den Eidgenossen in Territorialfragen wenig Übereinstimmung bestand und das kleine Land wegen seiner Instabilität eine wirksame Frontstellung der Alliierten gegenüber Frankreich hätte gefährden können, sahen sich die Grossmächte veranlasst, gegenüber der Schweiz gebieterisch aufzutreten. Alle Vorschläge zur territorialen Lösung, die nicht den Vorstellungen des Schweizer Komitees, in dem namhafte Vertreter der Grossmächte sassen, entsprachen, wurden abgelehnt. Als einzige Variante lag der Anschluss des Bistums an die Kantone Bern und Basel im Interesse der Alliierten. Dadurch sollte die Eidgenossenschaft politisch und militärisch gestärkt werden und zusammen mit den anderen Nachbarstaaten Frankreichs einen «Cordon sanitaire» bilden.

Das Verhalten der lokalen Eliten im Fürstbistum Basel ist Gegenstand der fundierten Untersuchung Jean-Claude Rebetez’. Die zahlreichen Interessenkonflikte, die sich in der Bistumsfrage manifestierten, spiegelten sich in den modifizierten oder gar widersprüchlichen Haltungen der führenden Regionalpolitiker wider, die jedoch bald einsehen mussten, dass für die in Wien versammelten Fürsten kein neuer Kanton und schon gar nicht ein Episkopalstaat in Frage kam. Für die Alliierten hatten strategische Überlegungen Vorrang vor regionalen Wunschvorstellungen.

Vanja Hug und Damien Bregnard zeichnen in ihren Beiträgen das facettenreiche Bild eines in sich zerstrittenen, schwer regierbaren Fürstbistums bis zu dessen Anschluss an die Eidgenossenschaft. Im Mittelpunkt des Interesses stehen vor allem der Generalgouverneur Conrad von Andlau sowie dessen Nachfolger Generalkommissar Johann Conrad Escher, der im Auftrag der Alliierten als letzter Verwalter die Eingliederung des ehemaligen Fürstbistums Basel in die Kantone Bern und Basel erfolgreich durchführte. Auf der Grundlage eingehender Quellenstudien erfährt Andlau als bedeutendster Politiker des Fürstbistums eine ausgewogene Neubewertung seiner Tätigkeit. Nebst seiner unbestrittenen Gesinnungstreue zu Österreich und der Verlässlichkeit gegenüber den Alliierten wird auch die durchzogene Bilanz seiner Verwaltungstätigkeit erörtert. Andlau, «ein von Österreich abhängiger Befehlsempfänger und Verwalter mit relativ wenig Spielraum» (S. 142), tat sich mit der Durchsetzung seiner Finanzpolitik schwer, umso mehr, als ihm die Rückendeckung durch die in Wien versammelten Mächte weitgehend versagt blieb.

Aufschlussreiche Einblicke in die Meinungsbildung sowie in die politischen Rechte vor Ort erlaubt der Beitrag von Valentin Jeanneret und Jean-Claude Rebetez. Das anfängliche Ziel der Volksbefragungen von 1814 war, «zu verhindern, dass das Land wieder an Frankreich zurückfalle» (S. 195). Als Frankreich kein Interesse mehr am Fürstbistum zeigte, stellte sich die Frage, unter welcher verfassungsmässigen Ausgestaltung die Eigenständigkeit dieses Gebietes gewahrt bleiben sollte. Ebenfalls thematisiert werden im Beitrag die regionalen Unterschiede hinsichtlich der Praktiken der Volksbefragungen, die in keiner Weise mit den heutigen demokratischen Gepflogenheiten vergleichbar sind.

Gestützt auf umfangreiches Quellenmaterial bewertet Tobias Kaestli in seinem Beitrag die Bemühungen Berns um die Integration Biels und des Juras im Grossen und Ganzen als positiv. Die fehlende Förderung der Industrie und des Gewerbes in den neuen Gebieten fällt jedoch negativ ins Gewicht. Interessant erscheint die Feststellung, dass das Aufkommen separatistischer Regungen im Jura nicht die Restauration, sondern ein dominanter Politiker aus der Zeit des Liberalismus, Charles Neuhaus, zu verantworten habe, der «anders als vormals die Patrizier wenig Neigung zeigte, verschiedene Anschauungen und Denkweisen im Kanton zu tolerieren» (S. 218).

Die Reihe der quellenreichen Beiträge beschliesst André Salvisbergs Geschichte des Bezirks Birseck, dem nach erfolgtem Anschluss an Basel das Schicksal einer sich selbst überlassenen strukturschwachen Randregion widerfuhr. Die Birsecker, die sich im Kanton Basel in steuerlichen Angelegenheiten arg gebeutelt und auch in konfessioneller Hinsicht benachteiligt sahen, revanchierten sich letztlich auf ihre Weise, indem sie sich 1832 aktiv an der Basler Kantonstrennung beteiligten.

Die sorgfältig recherchierten und gut strukturierten Beiträge vermögen durchwegs zu überzeugen. Dass bei dem Gemeinschaftsunternehmen inhaltliche Überschneidungen nicht zu verhindern waren, liegt in der thematischen Nähe einzelner Arbeiten und in der Komplexität der Sachverhalte begründet. Die geschilderten Ereignisse fallen in die entscheidende Phase der Konsolidierung eines Kleinstaates, dem durch die alliierten Mächte eine ihm angemessene Rolle im Staatengefüge Europas zugewiesen wurde. Der Leserin und dem Leser wird eindrücklich vor Augen geführt, wie stark die Schweiz schon damals in diese Schicksalsgemeinschaft eingebunden war.

Dem vorliegenden Sammelband, der ein Namen- und Sachregister enthält und mit weiteren zweckmässigen Orientierungshilfen (Chronologie, Karten sowie Bildmaterial) komplettiert wird, ist eine breite Leserschaft zu wünschen, liefert er doch historisches Hintergrundwissen zur Jurafrage, die bis heute nicht ad acta gelegt werden konnte.

Zitierweise:
Stephan Schwarz: Jean-Claude Rebetez, Damien Bregnard (dir.): De la crosse à la croix. L’ancien Evêché de Bâle devient suisse (Congrès de Vienne – 1815), Neuchâtel: Éditions Alphil, 2018. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 69 Nr. 3, 2019, S. 468-470.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Vol. 69 Nr. 3, 2019, S. 468-470.

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